«Was mich nicht umbringt, macht mich stark»

     


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Kürzlich brachte die SonntagsZeitung wieder einmal einen erfreulichen und positiven Aufhänger auf der Front «Wie wir 100 Jahre alt wurden.» Dabei verraten elf teilweise über 100-jähhrige Seniorinnen und Senioren, was sie im Leben glücklich macht und wie sie gesund bleiben. Mit grossem Interesse habe ich diesen Artikel gelesen und dabei festgestellt, dass – abgesehen von nicht jammern, keinen Alkohol, spazieren gehen, Rituale pflegen, gesund essen usw. – sie alle etwas gemeinsam haben: Spass am Leben, eine positive Einstellung, ein gutes Einvernehmen mit ihren Mitmenschen und sie verfügen über eine grosse Portion Zuversicht, Hoffnung und Resilienz. Dies hat mich veranlasst über Hoffnung und Resilienz nachzudenken – gelten diese beiden Eigenschaften in der Psychologie doch als eine sogenannte Superkraft und stärkster Faktor fürs Wohlbefinden. Nachweislich trägt sie zu einem glücklicheren und gesünderen Leben bei. Resilienz oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. So definiert Wikipedia den Begriff, der den Blickwinkel einmal umdreht: Nicht das, was uns passiert, bestimmt, was das mit uns macht. Sondern wir selbst und unsere innere Widerstandsfähigkeit sorgen dafür, ob wir schneller wieder aufstehen können, oder Trauer uns dauerhaft lähmt. Der Begriff bezieht sich auf die Eigenschaft elastischen Materials, wieder in die ursprüngliche Form zurückzufinden, und bestimmt nicht nur elementare Lebenskrisen, sondern auch, ob banale Dinge wie Alltagsstress uns mehr oder weniger aus der Bahn werfen. Und das interessanteste: Jeder kann Resilienz erlernen.

    Manchmal läuft das Leben wie am Schnürchen und nicht im Traum würde uns einfallen, dass irgendetwas das klare Wasser trüben könnte. Doch unerwartete Dinge passieren, und so sehr wir uns immer einen Dauerzustand des Glücks herbeiwünschen, ein Ankommen, hinter dem nichts mehr wartet als Zufriedenheit – so wenig entspricht das in den meisten Fällen der Realität. Lebenswege sind selten gerade, und die wenigsten Situationen sind ein Dauerzustand. Meistens ist das auch nichts Negatives, denn Veränderungen machen das Leben aus und sorgen dafür, dass wir nicht stehenbleiben und immer weiterwachsen. Doch manchmal schlägt der Lebensweg einen dermassen Haken, dass wir straucheln, völlig aus der Bahn geraten und plötzlich nichts mehr ist, wie es mal war. Auch unsere 100-jährigen Seniorinnen und Senioren wurden in ihrem langen Leben sicher nicht davon verschont – im Gegenteil. Mit Jahrgang 1923 hat oftmals sicher noch ein rauerer Wind als heute geblasen. Doch sie haben gelernt, sich einer Situation anzupassen oder diese zu ändern. Resiliente Menschen nehmen ihr Leben und somit ihr Schicksal in die eigenen Hände. Sie sind sich bewusst, dass sie durch ihr eigenes Verhalten sich selber und die Dinge rundherum zum Besseren ändern können. Sie verfallen somit nicht in eine Opferhaltung, sondern sind sich bewusst, dass sie für ihr Wohlergehen und ihr Glück selber verantwortlich sind. Wie sagte doch Winston Churchill so schön: «Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.»

    Studien zeigen ausserdem, dass hoffungsvolle Menschen nicht nur zufriedener sind, sondern von dieser Superkraft in vielerlei Hinsicht profitieren: Sie sehen mehr Sinn im Leben, sind sozial besser eingebunden, weisen ein geringeres Krebsrisiko auf, leiden seltener unter psychischen Problemenm, seltener unter chronischen Krankheiten, Schlafproblemen und Ängsten und sie leben generell länger als Menschen, die weniger hoffungsvoll durchs Leben schreiten. Alle unsere 100-Jährigen hatten ihr Ziel und haben ihren Weg hartnäckig verfolgt – und haben auch weniger Erfreuliches angenommen und das Beste daraus gemacht. Zudem hatten alle einen guten, rücksichtsvollen Umgang mit ihren Mitmenschen – oder wenn es Ärger gab, haben sie ihn zugelassen und eine innere Distanz dazu aufgebaut.

    Und noch etwas gibt Hoffnung: Der Blick zurück. Das Wissen, dass man schwierige Probleme in der Vergangenheit lösen konnte. Dieses Wissen lässt auch unseren porträtierten Seniorinnen und Senioren liebevoll und versöhnt auf ihr Leben zurückschauen – wie immer es bis jetzt verlaufen ist.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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